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Nachhaltigkeit

Leitung: 

  • Die Arbeitsgruppe ist im Bereich Projektmanagement und Patient:innensicherheit (Leitung ao.Univ.Prof. Dr. Harald Andel, MSc, MLS,PMM) angesiedelt und wird von Dr. Lukas Schindler und Dr. Rafael Tschurtschentaler geleitet.

Kontakt: grueneanaesthesie@meduniwien.ac.at

 

Die Arbeitsgruppe setzt sich seit 2022 mit praxistauglichen Strategien zur Ökologisierung der Anästhesie und Intensivmedizin auseinander. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Pflege, Ärzt:innen sowie dem AKH Umwelt- und Abfallteam ist hier entscheidend für den Erfolg!

Oberstes Gebot bei allen Maßnahmen ist der Erhalt oder sogar die Erhöhung der Sicherheit von Patient:innen und des Personals.

Ein Teil unseres Teams ist darüber hinaus auch in der österreichweiten Plattform der ÖGARI (Plattform für Nachhaltigkeit in Anästhesie & Intensivmedizin - PNAI) vertreten und sammelt hier Informationen, begleitet (wissenschaftlich) die Umsetzung von Maßnahmen und trägt stark zur Bewusstseinsbildung, z.B. bei Vorträgen am AIC oder unter Kolleg:innen anderer Häuser bei.

Grundsätzliches:

Die letzten Jahre ließen uns allen den Klimawandel und seinen gravierenden Fortschritt bewusst werden. Die unmittelbaren Auswirkungen wie beispielhaft Überschwemmungen, Sturmschäden, Waldbrände, Hitzeperioden oder Gletscherschwund betreffen uns unmittelbar und nehmen auch weltweit drastisch zu. Die derzeit gesetzten Maßnahmen reichen absehbar nicht aus um die angestrebten Ziele zur Klimaveränderung zu erreichen. Die Folgen sind Hitzeperioden, Überschwemmungen, Rekordgletscherschwund, Waldbrände und Co. werden zur Normalität. Die weltweit gesetzten Maßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend, die gesteckten Ziele werden so jedenfalls nicht erreicht und die Folgen sind zu guter Letzt auch für unser aller Gesundheit relevant (u.a. durch Hitze, tropische Krankheiten, Umweltkatastrophen, Fluchtbewegungen und kriegerische Auseinandersetzungen). Da der Gesundheitssektor in Österreich an die 7% der Treibhausgasemissionen verursacht (weltweit 1,5-10%) [1] wurde von unserer Abteilung das Projekt "Nachhaltigkeit in Anästhesie und Intensivmedizin" im Rahmen der Arbeitsgruppe “Innovation, Nachhaltigkeit und Patient:innensicherheit (INPA)” ins Leben gerufen. Hierbei ist nicht nur die enge Einbindung der Anästhesiepflege, sondern auch die intensive Zusammenarbeit mit der AG des AKH-Umweltteams speziell erwähnenswert.

Abgesehen von klassischen Treibhausgasen (z.B. CO2) ist die Medizin auch ein Emittent von Ozonschicht schädigenden Gasen (1% der weltweiten Emissionen), karzinogenen- und nicht-karzinogenen Abgasen (1-2% der weltweiten Emissionen) sowie sauren Regen erzeugenden Emissionen (u.a. Stickoxide wie Stickstoffmonoxid oder Lachgas, bis zu 12% der Gesamtemissionen) [2]. Im Bereich der Anästhesiologie kommt der Nutzung von volatilen Anästhetika zur Aufrechterhaltung der Narkose oder Sedierung auf der Intensivstation eine besondere Bedeutung zu. Ebenso ist dieser Bereich durch die Nutzung hochmoderner Geräte und vieler Einweg- und Plastikprodukte sehr energie- und ressourcenintensiv.

[1] Kagoma Y, Stall N, Rubinstein E, Naudie D: People, planet and profits: the case for greening operating rooms. CMAJ 2012;184(17):1905–1911

[2] Eckelman, MJ, Sherman, J., 2016. Environmental impacts of the US health care system and effects on public health. PLoS One 11 (6), e0157014. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0157014

 

Umgesetzte und aktuelle Projekte

  • Ende der zentralen Lachgasversorgung

Nach Erhebung des Lachgasverbrauches konnte festgestellt werden, dass durch Leitungsverluste mehr Lachgas verloren ging, als tatsächlich verbraucht wurde. Nach Evaluierung des Bedarfs an Lachgas-unterstützten Narkosen konnte erreicht werden, dass die zentrale Lachgasversorgung mit 10.07.2023 eingestellt wurde. Dadurch konnte nicht nur die umweltschädliche Wirkung des Gases auf null reduziert werden, sondern auch Energie bei der Herstellung und Kosten (bei Anschaffung und Wartung) eingespart werden. Somit verursacht das AKH nur mit diesem Schritt jährlich 717 bis 1.425 Tonnen weniger CO2-Äquivalente pro Jahr!

Für die wenigen verbliebenen Anwendungsbereiche außerhalb der Anästhesie (zB in der Geburtshilfe) stehen fixe Sauerstoff/Lachgas Flaschen zur Verfügung.

 

  • Etablierung von Low- & Minimal-Flow-Narkosen als Standard

Durch die Anwendung moderner Narkoseführung mit etablierten Rückatmungssystemen kann der Anteil der benötigten frischen Atemgase (hier insbesondere der Narkosegase) deutlich reduziert werden. Dies stellt kein Novum in der Anästhesie dar, hat jedoch einen massiven Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck einer Narkose. Nach der Untersuchung und Auswertung vergangener Narkosen ist erkennbar, dass hier derzeit noch ein großes Potential für Verbesserungen bei den Frischgas-Flussraten besteht. Aus diesem Grund wurde ein Algorithmus für Low-Flow-Narkosen erstellt und an alle Mitarbeiter:innen ausgesendet. Weiters wurde auf jedem Narkosegas-Vapor ein Sticker angebracht, auf dem der Klimaeffekt abhängig vom Frischgasfluss, umgerechnet in Autokilometer, abgelesen und direkt umgesetzt werden kann. Der Effekt dieser bewusstseinsbildenden Maßnahmen konnte in einer wissenschaftlichen Arbeit dargelegt werden. Eine systematische Auswertung der Einsparungen ist in Planung, bisherige Beobachtungen lassen auf einen deutlichen Einsparungseffekt hoffen.

  • Mülltrennsysteme auf Anästhesiearbeitsplätzen

In vielen Bereichen der Anästhesie fand bisher wenig bis gar keine Mülltrennung statt und der anfallende Müll wird mit dem Krankenhaus-Sondermüll aufwendig und teuer verbrannt. Durch ein neues Mülltrennungssystem soll die Kreislaufwirtschaft der verwendeten Materialien vorangetrieben werden und dadurch einerseits Kohlendioxid-Äquivalente eingespart und andererseits Kosten gesenkt werden. Weiters findet eine separate Entsorgung von Medikamentenresten (insbesondere von Propofol) statt, damit diese nicht in die Umwelt und folglich in Gewässer und ins Grundwasser gelangen können (Studien zeigen eine zunehmende Konzentration diverser Arzneimittel in Gewässern mit potenziell hochtoxischen Folgen für Mensch, Tier- und Pflanzenwelt; siehe u.a. “Pharmaceuticals in the aquatic environment of the Baltic Sea region A status report”, UNESCO 2017 ISBN 978-92-3-100213-7).
Sowohl Mülltrennung als auch Medikamentenentsorgung konnten mit Engagement und Unterstützung der Anästhesiepflege gemeinsam umgesetzt werden.

 

  • Narkosegasrecycling

Das Auffangen der ausgeatmeten Narkosegasen wurde bereits erfolgreich getestet und soll mit der Anschaffung von neuen Narkosegeräte (schrittweise ab 2025) flächendeckend auf jedem Anästhesie-Arbeitsplatz zum Einsatz kommen. Ein besonderes Merkmal dabei ist, dass das mittels Aktivkohle absorbierte Narkosegas mit einem speziell entwickelten Verfahren extrahiert und wiederaufbereitet werden kann. Somit sind die Anästhesiegase die erste recycelte Medikamentengruppe in der Medizin (recyceltes Sevofluran ist in Österreich bereits zugelassen und seit Juni 2024 erhältlich). Abgesehen vom verminderten Treibhauseffekt führt eine Narkosegasabsorption mittels Filtersystem auch zur Möglichkeit des Verzichts des Anästhesiegas-Fortleitungssystems (AGFS). Derzeit werden die abgeatmeten Narkosegase über ein das AGFS gesammelt und frei in die Umgebungsluft ausgeblasen. Durch das Ausfiltern der Narkosegase kann auf das Absaugen der Ausatemluft verzichtet werden. Durch das Abkoppeln der Narkosemaschinen von der AGFS spart vor allem viel Energie, da diese mit rund 30-60 l/min kontinuierlichem Sog (über Druckluft) pro Arbeitsplatz betrieben wird. Das AGFS verbraucht auch dann Druckluft, wenn das Narkosegerät angeschlossen und nicht verwendet wird. Aus diesem Grund wurde auch ein weiteres Konzept entwickelt, das das Abstecken der AGFS-Schläuche außerhalb der Regelbetriebszeit bei Narkosemaschinen vorsieht, die noch nicht mit einem Narkosegasrecycling-System ausgestattet sind. Um das Krankenhauspersonal vor einer Gefährdung durch unbeabsichtigt austretende Narkosegase zu schützen, wurden entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen (Einführung von Checklisten bei Inbetriebnahme und zu Betriebsende). Auch hier konnte die Umsetzung mit starker Unterstützung der Anästhesiepflege erreicht werden.

 

  • Energiesparmaßnahmen

Durch eine Energieverbrauchsmessung konnte ein weiteres großes Energieeinsparpotential identifiziert werden. Viele Medizinprodukte in der Anästhesie sind unnötigerweise ständig im Bereitschaftsmodus und verbrauchen somit kontinuierlich Energie. In Bereichen, in denen nur Routine-Eingriffe vorgenommen werden, wurde ein Konzept zur Abschaltung der Medizinprodukte außerhalb der Regelarbeitszeit erstellt. Dieses Vorgehen kann Energie sparen, ohne die Sicherheit unserer Patient:innen zu gefährden. Die Implementierung und konsequente Umsetzung erfolgt auch hier durch die Anästhesiepflege.

 

Zukunft:

Der Weg zu einer möglichst nachhaltigen (Intensiv-)Medizin ist noch lang. Als international angesehene Institution möchten wir mit Innovation vorangehen und unsere Bemühungen kontinuierlich vorantreiben.
Weitere Maßnahmen sind bereits in Ausarbeitung und bestehende Projekte werden laufend evaluiert und verbessert, unter anderem:

  • Neuanschaffung von Narkosegeräten werden auch unter ökologischen Gesichtspunkten getätigt
  • gemeinsam mit dem Wiener Gesundheitsverbund (WiGeV) soll das Narkosegasrecycling wienweit ausgerollt werden
  • regelmäßige Evaluierung von Abfallverwertung/-trennung und Optimierung dieser
  • Einsparung von großen Energiemengen durch die nicht mehr notwendige Anästhesieabgasabsaugung (durch den Einsatz von Narkosegasfiltern und das Abschalten der Lachgasversorgung)
  • Evaluation von fertig abgepackten Sets für Interventionen
  • Optimierung von Arbeitsabläufen

 

Links & weiterführende Literatur

 

Wichtigste Literatur:

Podcast:

Hyperkapnie - Der Podcast über die Nachhaltigkeit in der Anästhesie (deutsch)

APPs: